Best Practice Postproduktion

15. April 2022, Kategorie: Aktuelles

Dank des „Whitepapers für die Filmpostproduktion in Frankreich“ des französischen Schnittverbands Les Monteurs associés – LMA, haben wir, der Österreichische Verband Filmschnitt AEA uns mit dem Verband fta – Filmton Austria zusammengetan, um uns mit der Arbeitssituation in der Postproduktion auseinandersetzen.

Wir haben viel über das Manifest der französischen Kolleg*innen gesprochen und unterstützen alles, was es sagt. Letztendlich haben wir beschlossen, den gleichen Prozess zu durchlaufen, weil es andere Bedürfnisse und Wünsche geben könnte, die wir noch gar nicht kennen. Es ist wichtig für uns, das Gespräch mit den Entscheidungsträger*innen zu suchen. Wir hoffen, dass wir auf diese Weise die Debatte so breit wie möglich führen können, damit unsere Anliegen gehört werden.


Wie erreichen wir einen guten Film, wie erreichen wir viele gute Filme? 
Wie sorgen wir dafür, dass unser Berufsleben voll von guten Filmen ist?
Welche Schritte brauchen wir, um dorthin zu gelangen?


Wir hatten die Gelegenheit, unsere Initiative im Rahmen des Film Meetings der Diagonale’22 vorzustellen und den Think-Tank „Best Practice Post Produktion“ zu veranstalten. Dazu haben wir Produzent*innen, Produktionsleiter*innen, Regisseur*innen, Vertreter*innen von Postproduktionshäusern und Förderinstitutionen eingeladen, um gemeinsam mit Vertreter*innen von aea und fta über vier wichtige Punkte zu diskutieren: 

  • Die Bedeutung von Schnittassistent*innen
  • Work-Life-Balance in der Postproduktion
  • Der Wunsch nach einem „Post-Produktions Manager“ oder „Neue Berufe in der Postproduktion und warum es sie braucht“
  • Die Zukunft der “Package Deals“ in der Postproduktion


Die Bedeutung von Schnittassistent*innen 

  • Schnittassistent*innen dürfen nicht auf ihre technischen Kenntnisse minimiert werden, sie sind auch inhaltlich-kreative Mitarbeiterinnen im Schnitt-Department. Fällt dieser Aspekt durch Zeitdruck und geringe Anstellungszeit weg, ist die Attraktivität für den Beruf der Schnittassistent*in immer weniger gegeben. Das Nachwuchsproblem ist bereits spürbar.
  • Die Arbeit der Schnittassistenz ist nicht mit Drehende beendet. Editor*innen brauchen auch während der Schnittzeit die Unterstützung der Schnittassistent*in, da die Arbeitsbelastung zugenommen hat (explodierendes Drehverhältnis; erhöhte Screening-Anforderungen bzgl. VFX, Tongestaltung, Musik; gesteigertes Aufkommen von Exporten während des Schnittzeit etc.)
  • Daher: längere bzw. durchgehende Anmeldezeiten für Schnittassistent*innen
  • Wie kann man das erreichen? Etwa durch eine Aufwertung bzw. dem Ausbau und Neuformulierung ihres Berufsbildes wie z.B.
  • Etablierung der Rolle von VFX-Editoren wie im internationalen Vergleich
  • Das könnte die Attraktivität des Berufsbildes wieder steigern, da es hinsichtlich auch Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gibt wie z.B. Aufstieg zum Post Production Supervisor

Work-Life-Balance in der Postproduktion

  • Es kommt immer häufiger vor, dass Kolleg*innen in der Postproduktion aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden
  • Es ist wichtig, über die Problemstellungen zu sprechen und damit ein Bewusstsein zu schaffen
  • Reduzierung der Arbeitszeit! Weg von Arbeitsbelastungen die durch 60h Verträge entstehen
  • Reduzierung der Wochenarbeitszeit führt u.a. zu mehr Effizienz (wie sich in internationalen Vergleichen zeigt)
  • Wunsch nach längeren Schnittzeiten bei weniger Wochenstunden
  • Flexible Zeitarbeitsmodell führen zu mehr Zufriedenheit
  • Betreuungsmöglichkeiten für Kinder schaffen, um Personen mit Betreuungspflichten zu entlasten
  • Arbeitsteilung wird als potenzielle Lösung genannt, um die Arbeitsbelastung zu reduzieren, hierfür bedarf es einer guten Kommunikation/Supervisor*innen/überlappende Arbeitszeiten,…
  • Wunsch nach mehr Planbarkeit! Das Verschieben von Schnittbeginn führt zu emotionalem Stress → möglicher Ausgleich: Kompensationszahlungen für blockierte Zeiten
  • Sinnvolle Pausen bei der Erstellung eines Postproduktionsplans berücksichtigen!
  • Die Heads of Department in die Planung der Postproduktion einbeziehen
  • Viele Lösungsansätze erfordern finanzielle Ressourcen. Forderung an die Politik, die Fördersummen zu erhöhen lassen sich damit argumentieren, dass damit auch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein längeres gesundes (Arbeits-)Leben ermöglichen und somit das Gesundheitssystem entlasten.

Der Wunsch nach einem „Post Production Manager“ oder „Neue Berufe in der Postproduktion und warum man sie braucht“ 

  • Produzent*innen und Produktionsleiter*innen brauchen diese Position genauso sehr wie wir! Aber sie finden keine Leute, die das machen können, also müssen sie es selbst machen.
  • Es existiert keine Schnittstelle zwischen dem Post-House der Redaktion und der Produktion.
  • Auch Betreiber*innen der Posthäuser benötigen dringend so eine Ansprechperson und sehen einen dringenden Bedarf. Sie müssen die Funktion der/des Postproduktions Supervisor*in selbst stemmen weil es diese Funktion in Österreich nicht gibt.
  • Verlängerung der Herstellungsleitung und Produktionsleitung mit verringerten Arbeitsstunden/Woche als Möglichkeit das zu kompensieren. Doch der wellenartige Stress der damit verbunden ist, kann kein Langzeitmodell sein, sondern höchstens eine Überbrückung. 
  • Die Produktionsfirmen müssen dafür sensibilisiert werden, was Post Production Supervisor*innen eigentlich tun, wo sie Abläufe verbessern können und welche Aufgaben sie übernehmen.
  • Budgegewalt für Postproduktions Supervisor*innen wird gefordert. Den tatsächlich Verantwortlichen der Postproduktion müssen hierbei echte Entscheidungsbefugnisse übertragen werden.

„Package Deals“ in der Postproduktion. 

  • Im Moment gibt es viele verschiedene Beschäftigungsmodelle aber meistens werden die Kolleg*innen nicht nach dem Filmschaffendem KV angestellt.
  • Im Moment noch großer Unterschied Kino/TV
  • Gerade im Fernsehen haben Regisseur*innen nicht mehr die Möglichkeit sich ihre kreativen Mitarbeiter*innen auszusuchen.
  • Es gibt zumeist keine Alleinverantwortliche Kreative Ansprechperson.

Die Veranstaltung war mit 38 Teilnehmer*innen bestens besucht. Überraschenderweise haben wir mit unseren Punkten Themen angesprochen, die auch Produzent*innen und Produktionsleiter*innen als problematisch sehen. Das Echo nach unserer Diskussion war überwältigend positiv, und viele unserer Teilnehmer*innen wollen die Gespräche fortsetzen.