Protokoll eines Gesprächs zwischen den EditorInnen Andrew Bird (Gegen die Wand, Solino..), Molly Marlene Stensgård (Dogville, Dancer in the Dark..) und dem Herausgeber der Zeitschrift SCHNITT, Nikolaj Nikitin während der Berlinale 07.
N.N.: Molly, du arbeitest hauptsächlich mit Lars van Trier, begleitest ihn eigentlich von Anfang an (Idioten, Geister…) und du Andrew schneidest alle Filme von Fatih Akin. Wie ist es, kontinuierlich mit dem gleichen Regisseur zu arbeiten?
M.S.: Es hat Vor- und Nachteile. Es wird über gewisse Dinge nicht mehr so viel geredet, weil ich weiß, was er will, es bleibt mehr Zeit für interessantere Gespräche, die dann schon ins Filmphilosophische gehen. Trotzdem sagen Lars und ich immer: wir dürfen nicht die alten Schritte gehen, jeder Film verlangt neue Pfade.
A.B.: Der Nachteil kann sein, dass man wie ein altes Ehepaar wird, man glaubt von vornherein zu wissen, was der andere meint, hört nicht mehr so genau hin oder stumpft ab. Dann ist es gut, mal wieder in einer anderen Konstellation zu arbeiten, um wieder aufzuwachen. Aber im Prinzip hat es viele Vorteile, wenn man einander gut kennt.
N.N.: Arbeitet ihr parallel, während noch gedreht wird?
M.S.: Also ich nicht. Ich finde es wichtig, mit dem Regisseur gemeinsam das gesamte Material durchzugehen und zuerst einmal viel zu reden, reden, reden, damit ich die Intention des Films erkenne.
A.B.: Ich arbeite immer wieder parallel.
N.N.: Wie lange hast du, Molly, DANCER IN THE DARK geschnitten?
M.S.: Also ich hatte da zwei Co-EditorInnen, die zum Großteil die Tanzszenen, die ja teilweise mit 100 Kameras aufgenommen worden waren, aufbereiteten. Geschnitten haben wir dann 26 Wochen. Es war auch wirklich ungeheuer viel Material da.
Im Laufe des Schnittprozesses gibt es immer wieder falsche Entscheidungen, also gehe ich nach einiger Zeit zum Ursprungsmaterial oder zu früheren Versionen zurück, und schau noch mal, was ich dort entdecken kann.
N.N.: Es gibt Cutter, die keine Drehbücher lesen. Wie ist es bei Euch?
A.B.: Natürlich lese ich das Drehbuch, und zwar bereits in einer frühen Fassung, damit ich mit dem Autor/Regisseur auch darüber reden kann, darauf Einfluss nehmen kann.
M.S.: Ich nehme das Buch auch während des Schnitts immer wieder zur Hand, besonders, wenn eine Szene in Schwierigkeiten steckt. Im Script steht oft alles sehr klar, worum es gehen soll.
N.N.: Was ist wichtig beim Schnitt?
M.S.: Eine gute Balance zu halten zwischen Thema und Plot. Das Thema ist differenzierter, philosophischer – der Plot muss nur verstanden werden, mehr nicht, er dient lediglich zum Transport des Themas. Außerdem ist mein Leitsatz: MAKE THE AUDIENCE WORK. Der Zuschauer muss, ja darf nicht alles wissen, er darf nicht überinformiert werden, sonst verliert der Film sein Geheimnis. Maximal ist dafür zu sorgen, dass die Geschichte keine Konfusion erzeugt, aber es ist nicht nötig, dass alles in der ersten Stunde verstanden wird. Es gibt eine gute Konfusion und eine schlechte. Die gute regt die Kräfte des Publikums an und macht aus ihm einen Teil des Films.
Meist reduziere ich auch sehr viel Dialog. Inhalte, die im Geschriebenen noch gesagt werden mussten, werden im Film anders transportiert.
N.N.: Wie ist es, einen Film in einer Sprache zu schneiden, die ihr nicht beherrscht?
A.B.: In so einem Fall lasse ich alles untertiteln, bevor ich zu schneiden beginne. Trotzdem ist es eine tolle Sache, nichts zu verstehen, ich habe dadurch einen größeren Überblick über den Film, ich bin weniger rationalisiert und finde dadurch manchmal besser einen Rhythmus, die Melodie.
N.N.: Molly, du arbeitest mit Co-EditorInnen. Wer digitalisiert, wie ist euer Schnittdepartement aufgebaut?
M.S.: Es gibt die Technischen Assistenten, die digitalisieren, betreuen das Gerät, machen die Peripherie. Und dann gibt es sozusagen höhere Assistenten, die dann auch Co-Editorinnen sind, weil ich sie oft Szenen schneiden lasse, und die dann auch in den Film übernehme, wenn die Vorschläge gut waren. Es ist wichtig, im Schneideraum abgesehen vom Regisseur auch jemanden zum Dialog zu haben, der aus der Warte des Schnitts sieht.
N.N.: Wie sieht deine Annäherung an den Film aus?
M.S.: Ich mache zuallererst eine Selektion aus dem gesamten Material, und zwar ohne Rücksicht auf Übergänge oder wie es später montiert wird. Ich nehme alles heraus, was Dichte, Qualität, Kraft, was Präsenz hat: THIS IS THE MOMENT. Es geht darum, die spezifische Stimme, die Essenz des Films zu finden, ohne erstmal auf die Kontinuität zu achten.
So kann es sein, dass für gewisse Szenen viel da ist, für andere gar nichts, weil in dieser anderen Szene die Power gefehlt hat. Dieses Problem werden wir später im Schnittprozess behandeln.
Diese Auswahl an Material zeige ich dann meiner Co-Editorin, bespreche es mit ihr, und sie macht den ersten Rohschnitt draus, den ich wiederum mit ihr bespreche. In einem Austausch zwischen ihr, dem Regisseur und mir entstehen die ersten Versionen.
A.B.: Bei mir ist es anders. Ich bin gerne alleine im Schneideraum, habe aber gerne jemanden in der Nähe, mit dem ich diskutieren kann, zum Beispiel im Nebenschneideraum, eine Kollegin. Es ist dann auch super, sich gegenseitig die Filme zu zeigen, somit wird die Gefahr des Tunneleffekts geringer, in den du leicht beim Schneiden hineinkommst.
N.N.: Schneiden hat eine Menge mit Schreiben zu tun, stimmt das?
M.S.: Ja, das stimmt. Ich setze die Bilder und Töne wie die Wörter in Zusammenhang. Doch: die Präsenz der Figuren ist im Film stärker als im Buch. Ich kann ihnen deshalb Dialoge streichen.
Editing heißt: Vereinfachung, Dekonstruktion, KEEP THE THINGS SIMPLE.
N.N.: Und Schnitte können sichtbar sein?
M.S.: Ja, die alten Regeln können gebrochen werden, es muss nicht jede Szene Anfang, Mitte und Ende haben, Zeit- und Raumsprünge müssen nicht mehr kaschiert werden. Keine Kosmetik!
N.N.: Bei uns ist es unüblich, dass Schauspieler in den Schneideraum kommen, wie seht ihr das?
M.S.: Ich finde, Schauspieler sollen in den Schneideraum kommen, sie können davon nur profitieren.
N.N.: Wie oft wird der Film während des Montage-Prozesses auf einer Leinwand geschaut?
M.S.: Mein Schneideraum ist mit einer Leinwand in einem mittelgroßen kino-artigen Raum verbunden, in den ich sehr oft gehe, um mir den Film auch nicht immer in derselben Umgebung anzuschauen, und ihn größer, mit saftigeren Boxen zu sehen und zu hören. Richtig in ein großes Kino gehen wir dann maximal 10 mal.
N.N.: Ihr scheidet beide Spielfilme aber auch Dokumentarfilme. Was ist euch lieber?
A.B.: Also bei mir ist es so 50 zu 50 Prozent, und ich halte das für eine gute Kombination. Der Wechsel erfrischt. Im Dokumentarfilm schaffst du als Cutter auch die Struktur, die verschiebst die Strukturelemente – mehr als im Feature-Film. Dokus machen dich für den Spielfilm wieder freier.
FRAGE AUS DEM PUBLIKUM: Welchen Ausbildungsweg findet ihr empfehlenswert?
M.S.: Ich bin ein Fan von Film-Schools. Um das Geschichten-Erzählen, die Dramaturgie zu lernen, auch um ohne Druck Fehler machen zu können, und aus denen wieder zu lernen.
N.N.: Macht es für euch einen Unterschied, wenn ihr Fernsehen oder Kino schneidet?
A.B.: Nein – wenn ich schneide, schneide ich EINEN FILM.
N.N.: Vielen Dank für das Gespräch.
DIE MONTAGE, VERSUNKEN IN DER TIEFE DES FILMS
„Darwins Nightmare“ (Regie: Hubert Sauper) besitzt eine ziemlich ausgeklügelte Dramaturgie. Wann und wie haben Sie den „richtigen Weg“ durch all das heterogene Material gefunden?
Die Dreharbeiten bestanden aus drei Drehphasen zwischen den Jahren 2001 und 2003. Ich habe nach jeder Drehphase mit Hubert die Muster gesichtet. Wir haben sie gemeinsam ausgewertet und sehr viel diskutiert. Also war mein „Einstieg“ in die Arbeit an der Montage nicht plötzlich. Ich habe die Materie nicht erst entdecken müssen, ich war schon eingearbeitet, sie, die Materie, hat schon in mir gearbeitet.
Um die Konstruktion des Films zu erarbeiten, haben wir gewisse Vorgaben festgelegt:
– der gemeinsame Wille, den Film ohne darübergelegten OFF-Kommentar zu machen.
Wir dachten, dass man Vertrauen in die Rede der Protagonisten des Films gewinnen müsse und dass es nicht notwendig ist, mit unserer Intervention alles zu erklären, um den Film lesbarer zu machen. Dabei geht es auch darum, die Kraft des Bildes zu respektieren. Zuletzt wollten wir dem Zuschauer seine eigene Lektüre des Films lassen, ohne unsere darüber zu stülpen. Mit anderen Worten, wir zweifelten, dass der Zuschauer sonst „seine eigene Reise“ machen könne.
– der Wunsch der Didaktik zu entkommen, der Propaganda, dem Kämpferischen. Stattdessen wollten wir nur einen Bericht geben, der eine bestimmte Wahrheit über Mwanza hervorbringt, während der Monate, in denen Hubert dort gedreht hat.
Wir haben bestimmte Personen ausgewählt, bei denen sich bestimmte Themen entwickeln konnten und mussten. Zum Beipiel: die russischen Piloten und der Transport von Fischen und Waffen; die Fischer und ihre Lebensumstände, die Krankheiten, Aids und der Tod; der Chef der Fischfabrik und der Handel und Export mit dem Nilbarsch; die Prostituierten und die Gewalt, Krankheit, Tod, usw.
Auf der Basis dieser Festschreibungen haben wir beschlossen den Film mit einer impressionistischen Beschreibung beginnen zu lassen. Erst Stück für Stück geben wir die Erklärung und Analyse der Situationen. Wir hofften, den Zuschauer in die Entdeckung des kleinen Dorfes hineinzuführen, damit er Stück für Stück dem Gezeigten Sinn geben kann.
Von Beginn des Films an haben wir die unterschiedlichen Themen des Films etabliert. Außerdem haben wir uns sehr bemüht, neben der narrativen Linie (Erzählung) die informative und/oder emotionale Linie parallel zu entwicklen und letztere schrittweise zu verstärken.
Unsere Überlegungen führten zu einem Zugang, der die Ideen Charles Darwins direkt angreift.
Bei der Montage von „Darwin’s Nightmare“, wie viel Zeit verbringt man dabei am Schneidetisch und wie viel davon ist freies Nachdenken über die Struktur und Dramaturgie?
Nachdem wir uns am Schneidetisch mit der Konstruktion auseinander gesetzt hatten, haben wir einige Tage am Papier gearbeitet, um diese Konstruktion niederzuschreiben. Wir haben aus einer Liste ganz bestimmter Elemente ausgewählt. Ausgehend von diesen Elementen haben wir die erste Struktur des Films entwickelt.
Wenn man sich einem Langdokumentarfilm gegenüber sieht, dann scheint es mir essentiell, dass man eine allgemeine Idee des Weges hat, den der Film zurücklegen wird: zu wissen, wo man beginnt, wie man weiterentwickelt und wie man zu einem Ende kommt. Sich hinsetzen und die Sequenzen nach purer Intuition anordnen, das bringt einen nicht sehr weit, und man verliert dadurch oft Unmengen an Zeit.
Ich sage manchmal „Ich trete in die Montage ein“, so wie man sagt: Ich trete einer Religion bei… oder ich trete ins Kloster ein.
Sie schneiden Dokumentarfilm und Spielfilm, haben Sie eine Präferenz für eines der beiden Genres?
Ich habe da keine Vorlieben.
Meiner Ansicht nach ist es wichtig, motiviert und interessiert zu sein vom jeweiligen Film und seinen Problematiken. Ich mag es, wenn der Film zu mir spricht und mich anregt. In Wirklichkeit habe ich mich zwischen Langspielfilmen, Fernsehfilmen und Dokumentarfilmen aufgeteilt.
Darüber bin ich sehr froh, denn von einem Format ins andere zu wandern hilft mir, Zugänge zu „exportieren“, die Grenzen zu überschreiten.
Deshalb suche ich, wenn der Dokumentarfilm es erlaubt, eine „dramturgische“ Konstruktion, die interessiert oder erstaunt. Die Dinge enthüllen sich dann Stück für Stück, wobei ich immer auch die Entwicklung des emotionalen Bogens im Auge habe. Diese Methode inspiriert dann wiederum die narrativen Lösungen beim Spielfilm. Der Dokumentarfilm hat mich eine Freiheit bei filmischen Anschlüssen gelehrt, die manchmal auch gut für den Spielfilm ist, weil man sich von gewissen Zwängen befreien kann. (oder: von eingefahrenen Gleisen)
Ich stelle die Hierarchie völlig infrage, die den Langspielfilm als ehrenwertes Ziel ansieht, als die Spitze, die man unbedingt erreichen muss.
Ich würde sagen, dass im Dokumentarfilm die Arbeit an der Montage manchmal viel kreativer ist, weil sie entscheidenden Anteil an der Konstruktion des Films hat, am Festschreiben des Films.
Im Spielfilm ist die narrative Entwicklung meistens viel festgelegter und erfordert weniger Arbeit bei der Montage.
Da Sie auch Schnitt unterrichten, welchen Rat geben Sie Ihren Schülern und Schülerinnen – gibt es eine Methode gut zu schneiden?
Ohne Zweifel, um einen Film so gut wie möglich zu montieren, muss man ihn verstehen und ihn fühlen, man muss das Rationale und das Analytische und gleichzeitig das Emotionale und Intuitive in sich wachrufen. Man muss auch, ohne zu zögern, vom Globalen ins Detail übergehen können, ohne dabei jemals das eine oder das andere aus den Augen zu verlieren. Montieren heißt, eine Recherche ins Herz des Films zu machen, in seinen „inneren Kern“, es ist eine Suche nach dem langen Atem.
An die Montage heranzugehen, um ihre Existenz und Präsenz hervorzuheben, ist ein irregeleiteter Wunsch.
Sich auf Effekte stützen, auf das Vergnügen an der eigenen Brillanz, den tausendundeins möglichen billigen Tricks, daraus resultiert nicht nur Oberflächlichkeit, sondern es dient häufig dazu, eine große Leere zu verbergen. Ich will das hier keineswegs verdammen oder sagen, dass ich diese mittelmäßigen Techniken ablehne. Ich will nur sagen, dass man sie mit Vorbedacht anwenden soll und nur wenn der Film es erfordert. Aber nicht um jeden Preis, damit sich was rührt, damit es knallt, damit man Rhythmus bekommt.
Ich würde sagen, dass die Montage versteckt sein soll, in natürlicher und unsichtbarer Weise in der Tiefe des Films versunken.
Vor jeder Sequenz stellt sich die Frage: Warum ist diese Sequenz geschrieben worden, was ist ihr Sinn und Ziel in der Erzählung?
Das geht auch von der gängigen Meinung ab, dass der Editor nur die besten Momente auswählen muss, um einer Szene den vollständigen Sinn und die beste Emotion zu geben.
Was ist Ihrer Meinung nach eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Regie und Montage?
Ich finde mich gerne mit dem/der Regisseur/in in einer Übereinkunft, die besagt, dass wir beide dem Film bestmöglich dienen. Das ist nicht immer selbstverständlich, manche RegisseurInnen nehmen nicht richtig wahr, was wirklich in ihrem Film drinnen steckt. Sie interpretieren dann beim Ansehen der Muster Intentionen und Vorstellungen hinein, Dinge, die nur in im eigenen Kopf existieren….
Dann kann der Dialog sehr mühsam werden…
Es ist mir unmöglich, so eng mit jemandem manchmal über Monate hinweg zusammenzuarbeiten, ohne dabei ein Arbeitsverhältnis und eine gmeinsame Sprache zu haben. Ich schätze es, wenn jeder das gleiche Recht hat, kritisch zu sprechen, auch wenn am Ende dem/der Regisseur/in die letztgültige Entscheidung obliegt.
Es ist mir unmöglich, nur zu „exekutieren“, das gefällt mir nicht.
Die wenigen Male, wo mir das passiert ist, habe ich mich schlecht gefühlt und nichts mehr gewünscht, als dass es ein Ende hat und man niemals wieder zusammenarbeiten muss.
Wenn man nicht zusammen arbeiten kann, dann ist die einzig gesunde Lösung, sich zu trennen.
Können Sie uns Filme nennen, die Sie wegen ihrer außergewöhnlichen Art des Schnitts beeindruckt haben?
Diese Frage überfordert mich, denn wenn mich ein Film berührt, dann wegen anderer Qualitäten als der Montage. Ich mag es nicht, wenn man die Montage aus dem Ensemble des Films herauslöst. Ein Film, das ist eine mehr oder weniger herausfordernde Geschichte, das ist die Entdeckung des philosophischen und ästhetischen Universums eines Autors, das ist die Relevanz (Bedeutung!!) oder die Vortrefflichkeit (herausragende Qualität!!) seines Drehbuchs, das ist die Genauigkeit und Sensibilität des Schauspiels, etc., etc.
Die Montage ist nur ein Element des Ganzen.
Sich auf Montage zu konzentrieren, das führt dann oft dazu, dass rhythmische und schnell geschnittene Passagen als brillant bezeichnet werden. Aber um den Rhythmus einer emotionalen Sequenz zu finden, bedarf es meist mehr als des Rhythmus einer aufgeregten Schlägerei. In chaotischen, frenetischen Szenen dürfen die Schnitte und Anschlüsse ruhig wild sein. Je mehr es weh tut, umso besser.
Im Vergleich dazu wirkt sich der Wechsel von einem Bild zum nächsten in langsamen Passagen viel stärker aus. Man muss den exakten Moment finden und den Schnitt setzen, ohne dabei Emotion abzuwürgen, ohne zu lange oder zu kurz zu bleiben.
Um Ihnen anders zu antworten, würde ich sagen, der Film, der mich in Richtung Kino gebracht hat, war „Hiroshima, mon amour“. Seine Drehbuchkonstruktion hat mich die außergewöhnlichen Möglichkeiten entdecken lassen, wie man mit Zeit und Raum spielen kann, wie die Zeit real und mental gleichzeitig sein kann.
Wenn Leute über Schnitt sprechen, dann reden sie häufig über den Rhythmus. Handelt Filmmontage von Rhythmus, oder verwenden Sie noch andere Begriffe, um Montage zu beschreiben?
Der Rhythmus ist natürlich sehr wichtig.
Aber Montage reduziert sich nicht auf sich selbst.
Die Montage spielt mit der Struktur, der Erzählung, der Schnittmenge, der Zeit, deren Verdichtung oder Verzögerung, der Gegenwart, dem Vergangenen, der realen Zeit, der mentalen Zeit, der phantastischen Zeit, dem Raum etc.
Im Moment tendiert die Rede über Rhythmus zur Geschwindigkeit, vor allem im Zusammenhang mit Fernsehen. Es muss sich ständig bewegen und ständig aufregend sein. Der Inhalt ist weniger wichtig, es bleibt nicht viel übrig.
Oder wie der Chef von TF1 sagt, es geht darum, die freie Zeit im Hirn an Coca Cola zu verkaufen.
Aber Rhythmus ist nicht gleich Geschwindigkeit. Der Rhythmus ist das Tempo, in dem sich die Dinge ereignen, er kann überstürzt sein, aber er kann auch langsam sein.
Warum wird Filmmontage nicht mehr geschätzt und relativ schlecht bezahlt im Vergleich zu Regie, Kamera, Musik…? Weil Filmmontage per se unsichtbar sein soll?
Ironisch gesagt, weil sie sich in dunklen Räumen abspielt, die nur wenige Leute betreten… Weil außerhalb des Kreises der Professionellen nur wenige Leute von der Existenz dieser Arbeit wissen. Wie oft bin ich gefragt worden, wenn Leute gehört haben, dass ich Filme montiere: „Und was ist das für eine Arbeit?“
Auf DVDs kann man oft das nicht verwendete Material von Filmen sehen. Aber eine Kamera geht nie in einen Schneideraum. Das ist kein fotogener Ort. Es ist nichts Aufregendes daran, zwei Leute vor einem Schneidetisch sitzen zu sehen und ihnen dabei zuzusehen, wie sie in einer seltsamen Art über seltsame Dinge reden. Dieser Ort hat nichts Attraktives.
Es ist ein kleines Labor ohne großes öffentliches Interesse.
Wir, die Editoren, wir sind die Menschen im Schatten. Das ist nicht schlimm, man muss es wissen, und manchmal hat man Gelegenheit, sich zu zeigen und den Leuten verständlich machen, dass wir keine Fantome sind, sondern real exisieren.
(Interview mit Denise Vindevogel, 5. März 2006 / Interviewer: Wolfgang Widerhofer)
Wolfgang Widerhofer: Editor, Vorstandsmitglied im Verband Film- und Videoschnitt.
Filmauswahl: Unser täglich Brot, Elsewhere, Senad und Edis, Pripyad, Das Jahr nach Dayton (Nikolaus Geyrhalter), Operation Spring, Am Spiegelgrund (Angelika Schuster, Tristan Sindelgruber), Flugnummer 884 (W.Widerhofer, Markus Glaser), Nachtreise (Kenan Kilic).
Karina Ressler:
Lieber Michael, was reizt dich am Job des Cutters?
Michael Hudecek:
Einen Film am Schnittplatz entstehen zu sehen, bis er so funktioniert, wie er vorher gedacht war, ist eine spannende Sache. Es reizt mich, vor immer neue Situationen gestellt zu werden und daraus zu lernen.
Schnitt hat sehr viel mit entscheiden zu tun – man ist ununterbrochen aufgefordert, Entscheidungen zu treffen – das ist wohl ein Thema in meinem Leben.
Karina Ressler:
Was macht deiner Meinung nach einen guten Cutter/eine gute Cutterin aus?
Michael Hudecek:
Sich auf ein Filmprojekt voll einzulassen und doch auch genügend Abstand zu bewahren, um den Film jeden Tag mit neuen Augen zu sehen.
Karina Ressler:
Welche Projekte, bei denen du mitgewirkt hast, sind dir besonders wichtig? Wo gab es Schwierigkeiten oder unvorhergesehene Hindernisse?
Michael Hudecek:
Der erste Spielfilm, den ich 1983/84 geschnitten habe, „Wiener Brut“ von Hans Fädler, war für mich ein erster Vorstoß in diese Welt. Hans und ich haben damals gemeinsam viel über Schnitt gelernt.
Bei jedem Projekt, ja sogar bei fast jedem Schnitt gibt es Schwierigkeiten, sonst wäre es ja langweilig – oder? Wichtig ist für mich, dass die Chemie mit Regisseur oder Regisseurin passt, damit das Überwinden der Hindernisse auch Spaß macht.
Karina Ressler:
Was sind deine nächsten Projekte filmischer Art oder auch in anderer kreativen Weise?
Michael Hudecek:
Ich arbeite gemeinsam mit Christina Zurbrügg an einem neuen Musikfilmprojekt und an unserem Musik-Live-Programm. Außerdem sollen heuer noch zwei CDs erscheinen.
Karina Ressler:
Warst du überrascht, dass du für „Caché“ den Schnittpreis bekommen hast, oder liegt es deiner Meinung nach auf der Hand (durch die Rückerinnerungen, die harten Schnitte usw.)
Michael Hudecek:
Ich war überrascht und habe mich sehr gefreut, diesen erstmals vergebenen Preis gemeinsam mit Nadine Muse zu erhalten. Vielleicht hilft es, das Schnittdepartement in der Öffentlichkeit und auch in der Branche aufzuwerten.
Karina Ressler:
Danke für das Gespräch.
Michael Hudecek, Editor, hat 2005 gemeinsam mit Nadine Muse (Sound-Editing bei Caché, außerdem Sound-Editing u. a. von: Klavierspielerin, Code inconnu, Wolfzeit (Michael Haneke), L’Un Reste, L’Autre Part (Claude Berri), Intimacy (Patrice Chéreau) , Mortelle Randonnée (Claude Miller)) den Europäischen Filmpreis für den besten Schnitt von Michael Hanekes „Caché“ bekommen.
Filmauswahl Michael Hudecek:
Der Kopf des Mohren, Alma – A Showbiz ans Ende, Das Auge des Taifun (Paulus Manker), Kids von Berlin, Endlich Schluss (Dieter Berner), Wiener Brut (Hans Faedler), The Rounder Girls (Sabine Derflinger, Bernhard Pötscher).
AFN: Der Beruf der Cutterin ist so etwas wie ein unsichtbarer Beruf, ein Beruf im Hintergrund. War es eine konkrete Berufsvorstellung oder ein Prozess, der Sie dorthin geführt hat.
Mona Willi: Bei mir war das ein Prozess. Ich wollte nach der Schule zum Film, soviel stand fest. Unmittelbar nach der Matura hätten mich aber keine zehn Pferde auf eine Uni oder Schule gebracht. Ich wollte zunächst reisen, bekam dann aber die Chance, mit Elisabeth Guggenberger und Helmut Voitl zu arbeiten, bei deren Dokumentarfilmen als Kabelträgerin zu beginnen und mich im Laufe der Zeit zur Kamera-, Schnitt- und Produktionsassistentin, schließlich zur Cutterin zu entwickeln. Wichtig und von ungeheurem Wert für mich war, bei diesen Projekten immer von Anfang bis Ende dabei zu sein und Erfahrungen in den verschiedensten Produktionsbereichen sammeln zu können. Ich wollte zunächst eher in Richtung Kamera gehen, erkannte aber sehr bald, dass ich das vom Typ und der Persönlichkeit her nicht bin. Der Schnitt war im Gegensatz dazu etwas, das sich immer mehr herauskristallisierte, Helmut hat mich darin sehr bestärkt, gefördert, war sozusagen mein Lehrmeister. Er hat damals selbst geschnitten – ich konnte ihm vorerst assistieren, habe allmählich die technische Handhabung des Schnittcomputers übernommen und mich zunehmend inhaltlich und kreativ eingebracht.
AFN: Sie haben also ihr Handwerk nie an einer Schule gelernt?
Mona Willi: Ich war nie auf der Filmakademie, machte drei, vier Jahre lang Schnittassistenz und Schnitt auf Video. Auf Film habe ich nie geschnitten.
1995 ging es darum, Arktis Nordost, bestehend aus 3×60 Minuten Universum, 6×30 Minuten Making of-Dokumentation, 3×30 Minuten Kinderserie auf den ersten AVIDs im ORF zu schneiden, alles in allem war das über ein Jahr Schnittarbeit. Um den Digitalschnitt zu erlernen, konnte ich vier Monate lang im Schnittstudio Offline assistieren und von Michael Hudecek lernen. Es gab viele, die den Sprung zum digitalen Schnitt bedauert haben, weil das haptische Element verloren geht. Die Vorstellung der Film-Schneideräume, der Körbe und Galgen, der tatsächlichen Kadersucherei hat mich immer eher abgeschreckt. Die Ordnung, die man am AVID haben und leicht halten kann, hat einen ungeheuren Vorteil, natürlich auch die Geschwindigkeit, alle digitalen Simulationsmöglichkeiten und vor allem der Umgang mit Ton Die Beziehung zum Material liegt ja weniger in seiner Handhabung als vielmehr in der Fähigkeit, in dieses einzutauchen, mit dem Kopf und dem Herzen und der Seele im Material zu sein. Das ist sehr körperlich.
AFN: Wie kam es dann zum ersten Spielfilm?
Mona Willi: Der Übergang vom Fernsehen in den Spielfilm war insofern ein Riesensprung, als ich das ganze Prozedere des klassischen SchnittassistenInnen-Daseins überspringen konnte. Tatsächlich bekommt man die ersten Jobs in der Filmwelt, wie so oft, nur über Empfehlungen. Ich hatte das Glück, sehr schnell Chancen gekriegt zu haben.
So auch bei Suzie Washington, meinem ersten Kinospielfilm. Fina Zwolsky von der Offline hatte den Mut, mich Florian Flicker zu empfehlen, er hat mich angerufen, es gab ein Gespräch, und dann war alles sehr schnell klar. Die nächsten Kinoprojekte waren Frankreich, wir kommen! und Nordrand.
AFN: Wie viele Projekte im Jahr sind lebensnotwendig bzw. praktikabel?
Mona Willi: Das ist eine aktuelle Frage, da ich gerade für nächstes Jahr entscheiden muss. Ich denke, mehr als drei lange gehen sich nicht aus. Vier von vornherein zuzusagen, bedeutet, keine Pause und keinen Puffer zu haben.
Im Schnitt werden zwölf Wochen kalkuliert. Es kann schneller gehen, wie mit Michael Haneke, es kann auch bedeutend länger dauern, bis zu 18-20 Wochen, am Schnitt eines Filmes wurde auch schon über ein Jahr gearbeitet. Die Zeit, die man mit einem Film verbringt, ist aber bedeutend länger als die reine Schnittzeit, aufgrund von Pausen, Sichtungen, technischen Schritten im Fertigstellungsablauf.
AFN: Wann steigst du in den Entstehungsprozess des Films ein?
Mona Willi: Das Drehbuch bekomme ich meistens viele Monate vor Drehbeginn, vor der Einreichung. Dialog über das Buch mit dem Regisseur wächst eher mit einer zweiten oder dritten Zusammenarbeit. Es kann interessant sein, am Drehprozess teilzunehmen, andererseits ist es ein großer Vorteil, am Schneidetisch zum ersten Mal völlig unbelastet mit dem Material konfrontiert zu sein, dann sieht man das Material anders. Es gibt manchmal Szenen, wo man seitens der Regie ein Unbehagen bemerkt, das schwer nachvollziehbar ist. Heute frage ich da viel schneller, war da irgend etwas beim Dreh? Die Teilnahme an den Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm habe ich im Gegensatz dazu immer als großen Vorteil empfunden, weil dadurch schon viel notwendiges Hintergrundwissen vorhanden war.
AFN: Ändert sich Ihre Arbeitsweise je nach Persönlichkeit des Regisseurs?
Mona Willi: Es ist mit jedem anders zu arbeiten. Ein wichtiger Aspekt beim Schneiden ist der, mit Menschen zu sein. Es ist eine Frage der Chemie, da man sehr viel Zeit sehr nahe miteinander verbringt, und mit allen Stärken und Schwächen des Materials konfrontiert ist, aber auch mit den eigenen und denen des anderen, vor allem, wenn man unter Druck gerät.
Wie sehr man im Schnitt die Dramaturgie der Geschichte, verändert, hängt davon ab, ob das Buch das grundsätzlich zulässt. Böse Zellen von Barbara Albert beispielsweise ist ein Film, der schon von der Konzeption her aus vielen Figuren und Geschichten besteht, eigenständigen und doch verbundenen, so gab es einige strukturelle Erzählmöglichkeiten. Das war eine spannende und wunderbare Schnittarbeit. Die Handlungen von Florian Flickers Geschichten waren, zumindest bei den zwei Filmen die ich geschnitten habe, im Ablauf so zwingend logisch, dass Umstellungen gar nicht erst möglich waren, dafür hatten wir beim Überfall viele Möglichkeiten beim Dialogschnitt, weil die Szenen in verschiedenen Größen aufgelöst und auch gedreht wurden, was bei Haneke wiederum gar nicht vorkommt.
AFN: Wo liegt das kreative Moment beim Schneiden?
Mona Willi: Im Erzählen einer Geschichte, die schon erzählt ist, durch das Drehen aber wieder in Einzelteile zerfallen ist.
Die Herausforderung liegt für mich darin, den Menschen und den Figuren der Geschichte sehr nah zu sein und trotzdem eine ständige Distanz zu wahren, um den immer neuen, den neugierigen Blick zu bewahren. Die Bilder so anzuschauen als würde man sie zum ersten Mal sehen und sich beispielsweise beim Dialogschnitt zu fragen, wann will ich jetzt wen sehen, was interessiert mich jetzt und auf diese Frage zu reagieren, quasi den Kopf bewegen – hören können wir ja glücklicherweise in alle Richtungen. Oder die Arbeit an den Ein- und Ausstiegen aus Szenen – was muss erzählt werden, was kann und soll offen bleiben?
AFN: Bei den Begriffen Montage oder Editing kommt bei der Berufsbezeichnung die Idee des Komponierens und Gestaltens viel stärker heraus als im Deutschen „Schnitt“?
Mona Willi: Die Arbeit des Cutters wird von Menschen, die beruflich nichts mit Film zu tun haben, ja immer eher als Herausschneiden empfunden, aber selbst für Filmmenschen ist die Arbeit des Schneidens oft schwer greifbar. Ich vergleiche Schneiden sehr gerne mit Kochen, ich bin als Cutterin zu 100 Prozent von den Zutaten abhängig, aus Tomaten, Petersilie, Knoblauch und Nudeln kann man nur Pasta machen und keinen thailändischen Hühnercurry. Es geht um die Qualität der Zutaten und was man daraus macht. Und darum, Peperoncini aufzutreiben, wenn keine da sind, aber auch Überflüssiges oder Schlechtes wegzulassen; dann eben aglio, olio e peperoncini.
AFN: Ist es eine sehr einsame Arbeit?
Mona Willi: Ich persönlich arbeite viel mit Regisseurinnen und Regisseuren, die oft bis immer im Schneideraum sitzen. Einsam ist das gar nicht, im Gegenteil, es ist eine sehr intime Arbeit, weil man mit einem Menschen stundenlang auf Tuchfühlung arbeitet. Aber selbst wenn ich alleine schneide, fühle ich mich nicht einsam – ich bin ja immer mitten im Geschehen.
Ausmustern, als erster Arbeitsschritt, ist meiner Meinung nach zu zweit sinnvoller, in dem Moment, wo vier Augen schauen, sieht man mehr. Das gilt auch für den Schnitt: die Anwesenheit eines zweiten und dritten Blickes verändert oft den eigenen, man fühlt es anders, man sieht Fehler schneller. Ab einem gewissen Stadium ist man wiederum alleine mutiger, weil man Dinge tut, von denen man weiß, dass der Regisseur oder die Regisseurin sie grundsätzlich nicht tun würden. Man probiert es aus und wenn es funktioniert, zeigt man es her. Warum mir der Schnitt mehr liegt, als beispielsweise die Kamera ist die Möglichkeit, Dinge zu machen, darüber zu schlafen und sie wieder zu bearbeiten. Die Vorstellung zu drehen, das Material dann aus den Händen zu geben und nie wieder daran arbeiten zu können, ist mir eine schreckliche Vorstellung.
AFN: Was bedeutet für einen Cutter zwischen Dokumentarfilm und Spielfilme zu wechseln?
Mona Willi: Der Dokumentarfilm entsteht ja viel stärker am Schneidetisch als der Spielfilm, weil die Materialsammlung beim Dokumentarfilm offen und beim Spielfilm klar vorgezeichnet ist. Es ist eine andere Art, Geschichten zu erzählen. Mir fällt es jedenfalls nicht schwer, zwischen den beiden Genres zu wechseln. Es sind zwei verschiedene Herausforderungen, ich liebe beide.
AFN: Was lernt man von Michael Haneke?
Mona Willi: Ich werde immer wieder mit der Frage konfrontiert, wenn du mit Haneke schneidest, hast du eh nichts zu tun, weil er ohnehin genau weiß, was er will. Das stimmt, dennoch muss man einen Film schneiden, dennoch gibt es Diskussionen. Mit Michael Haneke zu schneiden, heißt, sehr konzentriert zu arbeiten, es ist eine sehr energievolle und unterhaltsame Zeit. Erstaunlich ist seine präzise Vorstellung, von Anfang an, und wenn etwas entschieden und für gut befunden wird, dann ist es unumstößlich. Ich konnte von ihm viel über die Beurteilung von Schauspiel lernen – aus fünf hervorragenden Takes einer Isabelle Huppert beispielsweise den Besten zu wählen, ist eine Herausforderung.
AFN: Welche Rolle spielt der Ton?
Mona Willi: Ich halte es für unglaublich wichtig, möglichst viele, für die Erzählung wichtige Töne – sei es ein Telefonläuten oder Rufe aus dem Off, bereits während des Bildschnittes anzulegen, weil Töne viel direkter und unvermittelter, aufgenommen werden, einfach ein sehr emotionaler Bestandteil der Geschichte sind, der Zeitpunkt eines Schnittes kann vom Ton bestimmt sein. Der wirkliche Tonschnitt und das Tondesign kommen dann erst nachher, eine Arbeit, die für die meisten Menschen noch schwerer greifbar ist, als der Bildschnitt, aber ebenso wichtig.
AFN: Luc Bondy war das letzte Projekt. Was gibt es dazu zu sagen?
Mona Willi: Der Film heißt Ne fais pas ça, eine französisch-deutsche Koproduktion. Christian Berger hat gedreht und sein neues Lichtsystem eingesetzt, ich habe geschnitten. Der Inhalt? Für den Trailer würde ich folgende Szene mit Sicherheit verwenden: Der Mann fragt sich laut, und damit seine Frau, was denn passiere, im Allgemeinen, zwischen den Männern und den Frauen, warum es ihnen nicht mehr gelingt, miteinander zu leben. Die Frau antwortet, es sei eine Frage der Hartnäckigkeit, wie mit Schuhen, die gefielen, aber die falsche Größe haben. „Hoffen, dass sie eines Tages passen?“ fragt er, „Nein, du hörst auf, darüber nachzudenken.“ antwortet sie. Die Hauptrollen spielen Nicole Garcia, Miky Manjolovic, Natacha Régnier u.a.
AFN: Warum ist der Schnitt eine Frauendomäne?
Mona Willi: Es gibt sehr viele Cutterinnen im Spielfilmbereich, mehr Cutter im Video und in der Werbung. Da ist das Argument mit dem Geld, überall dort, wo mehr Geld zu verdienen ist, sind mehr Männer. Oder weil der technische Aspekt in diesen Sparten bedeutender ist. Ich glaube nicht, dass es ein klassischer Frauenberuf ist. Natürlich ist es ein Beruf, der wenig mit Demonstration nach außen, wenig mit den klassischen männlichen Domänen zu tun hat. Aber es ändert sich auch im Spielfilmbereich– ich habe einen wunderbaren Assistenten, der eigentlich schon Cutter ist, Alarich Lenz.
AFN: Gibt es auch Perspektiven international zu arbeiten?
Mona Willi: Mein Ziel ist es, ein bis zwei Monate pro Jahr aus Wien weg zu sein, wenn möglich auch beruflich, um über den Tellerrand zu schauen. Es war immer ein starker Wunsch von mir, und das ist es noch, auch außerhalb Österreichs zu arbeiten. Es ist mir nur besonders durch die letzten drei französischen Filme, die ich geschnitten habe, klar geworden, wie sehr Schneiden damit zu tun hat, dass man eine Sprache bis in die letzte Nuance versteht. Das funktionierte nur, weil beide Regisseure deutschsprachig sind und weil die Kommunikation zwischen uns auf Deutsch passiert ist. Ich würde mir jetzt nicht zutrauen, mit einem französischen Regisseur zu arbeiten. Ich merke einfach, dass mir sehr viel fehlt – aber Sprachen und ihre Nuancen sind ja lernbar.
AFN: Wie sieht Ihre nähere Zukunft im Hinblick auf Projekte aus?
Mona Willi: Ab Frühjahr schneide ich mit Michael Glawogger Workingman’s Death, anschließend mit Jörg Kalt Crash Test Dummies, Dann gibt es noch drei Optionen, die aber alle noch nicht finanziert sind. Meine Sehnsucht zu lernen und bei einem Großmeister in die Schule zu gehen, in dessen Schneideraum zu sein, wird auch nicht geringer. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung, dass die Anwesenheit eines „scheideraumfremden“ Menschen das eigene Verhalten und die Arbeitsweise verändert.
Interview: Karin Schiefer / Austrian Film Commission